AQVA SPECVLVM / Videosonic Body Screening, 1994; Fungus, curated by Ron Miltenburg, Monastery St. Nicolai, Plasy, Czech Republic.
Früher entstanden Sejns Performances direkt in der Landschaft und zwar ohne Teilnahme des Publikums. Im Jahre 1990 verlagerte er sie in den Galerieraum, im Jahre 1991 nahmen zum ersten Mal Zuschauer teil. In seinen Performances „Prozeß-Zeichnungen“ entstanden während einiger Minuten Zeichnungen an der Wand der Galerie. In „Linie“ (1991) handelte es sich um eine Gegenüberstellung geometrischer und gestischer Linien. Sejn zeichnete zunächst eine klare gerade Linie an die Wand. Erst dann kam es zu der eigentlichen Aktion. Sejn konzentrierte sich auf sich, um aus der momentanen Verfassung heraus, Linien in intuitiver Führung über die Fläche zu zeichnen. Die Konfrontation zwischen gezeichneten und spontanen Linien fand auch „Im Feuer gesehen“ (1990) statt. Mit abgebrannten Zweigen oder brennendem Heu malte Sejn impulsiv und intuitiv oberhalb eines gezeichneten Halbkreises an eine Wand. Es war ein stiller konzentrierter ritueller Akt.
In der Ausstellung befindet sich ebenfalls eine „Prozeß-Zeichnungen“. Bei ihr ist der Entstehungsakt von gleicher Bedeutung wie das Ergebnis. Auch hier zeichnete Sejn zunächst den Bogen an die Wand, um die Zeichnung durch eine Aktion anschließend zu beenden. Es geschah in einem Ablauf, bei dem die körperliche und seelische Verfassung des Künstlers, seine Wahrnehmungen des Raumes, der Malfläche und des Bodens entscheidend waren. Sejn ließ sich hier auf den äußeren Raum genauso ein wie auf den eigenen inneren; das Ergebnis liegt dazwischen. Bei der Entstehung der Zeichnung griff er auf seine Erfahrungen mit dem japanischen Tanz Butoh zurück, mit dem er sich seit zwei Jahren beschäftigt. Mit Butoh öffneten sich für ihn neue Möglichkeiten der Wahrnehmung des eigenen Körpers und ihrer Umsetzung in der Kunst. So übernahm er z.B. eine Tanzrolle in dem Theaterstück „Ohne Datum“ (Theater Archa, Prag) und setzte Butohelemente während des Symposiums Fungus im Benediktinerkloster Plasy ein. Die fast einstündige Performance fand dort in den Kellerräumen des Klosters, die unter Wasser standen, statt. Sejn setzte sich mit dem spezifischen Raum und vor allem mit dem Wasser auseinander. Seine Bewegungen folgten der Vorstellung der Verbindung und Verschmelzung mit dem Wasser, der Identifizierung des Menschen mit dem Naturelement. Die Performance in den Kellerräumen wurde gleichzeitig zur Video- und Klanginstallation in den Räumlichkeiten des Klosters. Dabei wurden seine Bewegungen und die Geräusche des Wassers mit visuellen und akustischen Mitteln räumlich umgesetzt. Es entstand Kunst für alle Sinne.
Über die Einheit
In den letzten fünf Jahren gleicht Sejns Werk einem Versuch um komplexere Sicht. Er verwendet verschiedene künstlerische Mittel, kombiniert sie und läßt sie zusammenwirken. Sejn versucht hier, für seine Zustände in der Natur, in denen er das Sein in der gesamten Komplexität erlebt, einen adäquaten künstlerischen Ausdruck zu finden. Er ist überzeugt, daß solche umfassende Erfahrungen in der Natur auch in der Kunst erreicht werden können. Diesem absoluten Anspruch näherte sich Sejn am meisten in Plasy. Dort erzielt er durch die Verbindung zwischen Performance, akustischer und visueller Installation eine umfassende Wirkung.
Extract from text by Simona Mehnert, Berlin, 1995
videopresentation